Rava-Ruska

Die Unterschutzstellung des Massengrabs und die Errichtung der Gedenkstätte begannen im Sommer 2013. Sie wurde neben dem ehemaligen Neuen Jüdischen Friedhof errichtet. Die Einweihungsfeier fand im Frühsommer 2015 statt.

Rawa-Ruska im Mai 2014

Geschichte der Juden in Rava-Ruska

Urkundlich wurde Rava-Ruska bereits 1455 erwähnt. Erste Hinweise auf Juden in der Stadt reichen ins 16. Jahrhundert zurück. Bis 1772 gehörte die Stadt zu Polen, bis 1918 zu Österreich-Ungarn und in der Zwischenkriegszeit erneut zu Polen.

Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs war Rava-Ruska eine multiethnische Stadt. Etwas mehr als die Hälfte der Einwohner – mindestens 6000 Personen – war jüdisch. Polen machten ungefähr ein Drittel der Bevölkerung aus, während Ukrainer auf etwa 15 Prozent der Stadtbevölkerung kamen.

Pluralismus und Dynamik zeichneten das jüdische Leben in der Zwischenkriegszeit aus. Nach dem Ersten Weltkrieg stellte die Popularität der zionistischen Bewegung die Dominanz der Belzer Chassiden in Frage, die das jüdische Leben in Rava-Ruska seit Mitte des 19. Jahrhunderts prägten. Rund ein Dutzend politische Parteien und Gruppierungen, die entweder die Assimilation, den Zionismus oder die Aufrechterhaltung von Traditionen zum Ziel hatten, wetteiferten miteinander. Dabei unterhielten sie jeweils ihre eigenen Jugendorganisationen, Theatergruppen und Bibliotheken. In dieser Zeit wurden auch eine hebräisch-sprachige Schule und eine orthodoxe Mädchen-Schule (Bejs-Jaakow) gegründet, wenngleich die meisten jüdischen Kinder staatliche polnische Schulen besuchten. Darüber hinaus gab es jüdische Wohltätigkeitsorganisationen, Genossenschaften und Berufsverbände. Die Mehrzahl der Juden war im Groß- und Kleinhandel, sowie als Handwerker tätig. Nur eine kleine Schicht übte freie Berufe aus, und war als Juristen oder Mediziner tätig.

Rava-Ruska fiel im Laufe des Zweiten Weltkriegs mehrfach unter wechselnde Besatzung. Im September 1939 befand sich die Stadt knapp zwei Wochen unter der Herrschaft der Wehrmacht, deren Angehörige gegen die jüdische Bevölkerung vorgingen: Soldaten störten Gottesdienste, zerrissen Thorarollen und misshandelten Juden.

In Folge des Hitler-Stalin-Paktes wurde Ostgalizien von der Sowjetunion annektiert, und in die Ukrainische Sowjetrepublik eingegliedert. Diese Besatzung brachte Handelsverbote und Enteignungen, die Verfolgung der zionistischen Bewegung und eine Einschränkungen der Religionsausübung mit sich. Neben der polnischen und ukrainischen Elite deportierten die sowjetischen Machthaber prominente Juden aus der Region sowie jüdische Flüchtlinge aus dem deutsch besetzten Polen ins Innere der Sowjetunion.

Der Holocaust

Der sich anschließende Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion brachte Rava-Ruska im Juni 1941 erneut unter deutsche Besatzung. Die von den Deutschen erlassenen Vorschriften sahen verschiedene Formen von Ausgrenzung, Diskriminierung und Entrechtung für Juden vor. Sie verpflichteten die jüdische Bevölkerung zu Zwangsarbeit, beschränkten ihre Bewegungsfreiheit, beschlagnahmten ihren Besitz und reduzierten den Zugang zu Lebensmitteln und medizinischer Versorgung auf ein Minimum. Im November 1941 lebten 7400 Juden im Ort. Viele von ihnen starben in diesem Winter an Unterernährung, Krankheiten und Erschöpfung.

Die Vernichtung der jüdischen Gemeinde

Zwischen Mitte März und Ende Juli 1942 wurden mindestens 2200 jüdische Männer, Frauen und Kinder aus Rava-Ruska in das Vernichtungslager Belzec deportiert. Nach der ersten Deportation zwangen Deutsche Juden, den Alten Jüdischen Friedhof im Stadtzentrum zu zerstören und die Grabsteine für den Straßenbau zu zerschlagen. Nach der zweiten Deportation ließen die Deutschen ein Ghetto in der Stadt einrichten. Dort mussten ungefähr 11000 Juden aus Rava-Ruska und den umliegenden Dörfern und Städten mehrere Monate unter extremen und unhygienischen Umständen auf engstem Raum ausharren. Unter ihnen befanden sich auch Dutzende Juden, die von den Transportzügen nach Belzec gesprungen waren.

Das Ghetto wurde durch die deutsche Polizei und die SS, mit Unterstützung der Ukrainischen Hilfspolizei, im Dezember 1942 aufgelöst. Mindestens 2000 Menschen verschleppte man nach Belzec. Tausende andere wurden mit Lastkraftwagen an ausgehobene Gruben im nahegelegenen Wald von Sedlyska gebracht, weitere 2000 wurden in unmittelbarer Nähe zum Neuen Jüdischen Friedhof am Stadtrand erschossen. Etwa 1000 jüdische Männer, Frauen und Kinder wurden im Ghetto erschossen und entweder in dem zuvor erwähnten Massengrab nahe dem Neuen Jüdischen Friedhof, oder einem anderen Massengrab auf dem Friedhof verscharrt.

Nur einige hundert Arbeiter waren von dieser Vernichtungswelle ausgenommen. Die meisten von ihnen überstellte man in ein Arbeitslager. Mindestens 60 Juden blieben im Ghetto als „Begräbniskommando“, um die dort ermordeten Juden zum Friedhof zu karren. Der Versuch einiger Juden sich zu bewaffnen, wurde aufdeckt und niedergeschlagen. Im Juni 1943 wurden die letzten im Ghetto und im Arbeitslager verbliebenen Juden von Männern der SS und der Polizei im westlich der Stadt gelegenen Wald Borove erschossen.

Nach dem Rückzug der Wehrmacht im Juli 1944 stießen sowjetische Ermittler auf die jüdischen Massengräber in Rava-Ruska, in den Wäldern von Borove und Sedlyska, sowie auf dem Gelände des ehemaligen Ghettos. Auch entdeckten sie Massengräber sowjetischer Kriegsgefangener und Roma.

Rettungsversuche

In Ausnahmefällen fanden Juden bei Nachbarn oder Freunden Schutz. Ein junges Mädchen überlebte, weil die Bäuerin Kateryna Kleban es auf ihrem Hof in der Nähe des Dorfes Potylicz fast drei Jahre lang versteckte. Weitere zwölf Juden verdankten ihr Überleben dem Mut des Ehepaars Fryderyk und Maria Czerwień, das einen Schutzraum unter seinem Haus gebaut hatte. Dort brachte es die Bedrängten mindestens zwei Jahre unter.

Weil sie ihre jüdische Identität verbergen konnten, überlebten einige Frauen in der Zwangsarbeit in Deutschland.

Bis auf eine Ausnahme kehrte kein Überlebender oder Überlebende nach Rava-Ruska zurück.

Gedenkstätte

Unter der sowjetischen Regierung der Nachkriegszeit wurde der Neue Jüdische Friedhof weitgehend zerstört. Selbst die Mauern wurden eingerissen und abtransportiert. Das Gelände und die angrenzende Massenerschießungsstätte blieben unmarkiert und überwucherten. Bis zum Zerfall der Sowjetunion stellte die einzige Erinnerung an den Friedhof eine kleine Ansammlung von Grabsteinen dar, die wahrscheinlich auch Grabsteine des Alten Jüdischen Friedhofs enthielt.

Im Rahmen des Protecting Memory Projekts wählte man den ehemaligen Neuen Jüdischen Friedhof und die Erschießungsstätte zur Errichtung eines Gedenkortes aus.

Das Massengrab selbst ist von einer etwa 80 Zentimeter hohen Umfriedung eingefasst. Einen zusätzlichen Schutz gewährt eine Schicht heller Steine aus der Region, die die Fläche bedeckt. Nahe dem Eingangsbereich befindet sich ein schlichter Pavillon mit einem Gedenkstein. In unmittelbarer Nähe informiert eine Stele über die Geschichte der Juden von Rava-Ruska.
Aus den Grabsteinen, die zuvor auf einen Haufen geworfen und von Vegetation überwuchert waren, errichtete man zwischen dem Friedhofsgelände und dem Massengrab eine Mauer des Gedenkens. Diese Steinmauer wurde an beinahe an der gleichen Stelle errichtet, an der sich einst der Friedhofseingang befand.

Das architektonische Konzept der 1400 Quadratmeter großen Anlage entwarf der Bauingenieur Wolodymyr Motyka. Im September 2013 wurde mit dem Bau des Ensembles begonnen.

Anreise

Von der E372 bzw. M09 kommend fährt man bis in den Ortskern von Rava-Ruska, um dort auf die P40 südwestlich in Richtung Potelych abzubiegen. Nach etwa 200 Meter stößt man auf eine Gabelung, an welcher man sich rechts hält. Bereits nach wenigen hundert Meter findet sich auf der rechten Seite die Gedenkstätte.

Weitere historische Informationen erhalten Sie über unseren Projektpartner:

Ukrainian Center for Holocaust Studies
8 Kutuzova Street, r. 109
Kyiv, 01011

Tel.: +38 (044) 285-90-30
E-Mail: uhcenter@holocaust.kiev.ua