Bakhiv

Im Jahr 2014 wurde mit den Konstruktionsarbeiten zum Schutz der Massengräber und zur Gestaltung der Gedenkstätte bei Bakhiv begonnen. Etwa die Hälfte der jüdischen Gemeinde von Kovel wurde an den Gruben des ehemaligen Sandbaugebiets von Bakhiv erschossen und verscharrt. Die Gedenkstätte wurde im Juni 2015 eingeweiht.

Bakhiv - Protecting Memory Memorial Site (2)

Geschichte der Juden in Kovel

Kovel’s Existenz geht auf das 14. Jahrhundert zurück, während seine jüdische Gemeinde auf das frühe 16. Jahrhundert zurückgeführt werden kann, möglicherweise früher. Die Stadt gehörte seit 1569 zur Polnischen Krone und fiel mit der dritten Teilungen Polens 1795 an das Russische Reich. Nach dem ersten Weltkrieg wurde es Teil der wiederhergestellten Polnischen Republik.

In der Zwischenkriegszeit lebten rund 13500 Juden in Kovel. Die meisten waren als Ladenbesitzer, Markthändler, Handwerker und Arbeiter tätig. Unternehmen zur Verarbeitung von Erzeugnissen aus Getreide, Leder, Baustoffen oder dem Druckgewerbe wurden oftmals von Juden betrieben. Jüdische Kaufleute prägten maßgeblich den Handel und Transport von Agrarerzeugnissen – vornehmlich mit Vieh – vom wolhynischen Land ins Zentrum Polens, und darüber hinaus.

Gegen Ende der 1920er Jahre beschränkte die polnische Regierung die Teilhabe der Juden am politischen Leben, womit auch ihre Teilnahme an der Kommunalpolitik behindert wurde. Ihre Positionen wurden von polnischen Beamten übernommen, die aus Westpolen in die Stadt zogen.

Zahlreiche Parteien reflektierten die Meinungsvielfalt innerhalb der jüdischen Gemeinde. Im Jahr 1937 erlangten die Zionisten, die Juden auf eine Auswanderung nach Palästina vorbereiteten, die Mehrheit im Rat der jüdischen Gemeinde.

Darüber hinaus unterhielt die jüdische Gemeinde zahlreiche Wohltätigkeitsorganisationen, ein Waisenhaus, ein Krankenhaus und ein Pflegeheim. Unter den jüdischen Gotteshäusern befanden sich zwei große Synagogen, und Gebetshäuser der chassidischen Dynastien aus Karlin (heute in Pinsk, Belarus), Niesuchojeze (heute nicht mehr existent), Rushyn, Turzysk und Kock in Polen. Die Gemeinde unterstützte zahlreiche Schulen, samt Schulen des zionistischen Tarbut-Netzwerks, um das staatliche Bildungssystem Polens zu erweitern. Unterhaltung gab es in Form von Amateurtheater, Konzerten und Tanz-Tees.

Infolge des Hitler-Stalin-Paktes fiel Wolhynien im Herbst 1939 an die Sowjetunion und wurde Teil der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Daraufhin kam es zu Enteignungen und Unternehmensschließungen. Zionistische Aktivitäten wurden untersagt und die Religionsausübung eingeschränkt.

Der Holocaust

Als die Deutschen die Sowjetunion im Juni 1941 besetzten, lebten 17000 Juden in Kovel, unter ihnen Flüchtlinge aus dem deutsch-besetzten Polen. Unter deutscher Herrschaft wurden Juden zu Zwangsarbeit verpflichtet. Zur Identifizierung trugen sie Armbinden – später runde, gelbe Flicken – und wurden gezwungen, ihre Wertsachen auszuhändigen. Thorarollen wurden öffentlich verbrannt. Zudem schnitt die ukrainische Stadtverwaltung die jüdische Gemeinde von der Strom- und Wasserversorgung ab. Im Laufe dieses Sommers wurden etwa 1000 Juden ermordet.

Zunächst hatten die jüdischen Bewohner noch eine gewisse Bewegungsfreiheit in der Stadt, da der verantwortliche Kommissar für das Kreisgebiet Kovel die Errichtung eines Ghettos gegen Erhalt eines Bestechungsgeldes hinauszögerte. Nachdem er im Mai 1942 von seinem Posten entfernt wurde, sperrte man die jüdische Bevölkerung in zwei Ghettos: Rund 10000 Juden wurden in ein Ghetto in der Altstadt gezwungen, während etwa 3500 Arbeiter und ihre Familien in ein Ghetto in der Neustadt gebracht wurden.

Die Vernichtung der jüdischen Gemeinde

Anfang Juni 1942 wurden die Juden aus dem Altstadtghetto mit dem Zug an eine Sandgrube in der Nähe von Bakhiv transportiert. Hier hatten im Vorfeld sowjetische Kriegsgefangene bereits Gruben ausheben müssen. Innerhalb von drei Tagen wurden mehr als 8000 Juden von deutschen Polizisten mit Unterstützung der ukrainischen Polizei aus Kovel erschossen. Schätzungsweise 1000 Juden flohen in den Wald oder versteckten sich in der Stadt. Mehrere hundert Juden wurden im Ghetto ermordet und auf dem Jüdischen Friedhof begraben.

Zwei Monate später wurden die Insassen des Arbeiterghettos, das zusätzlich mehrere hundert Überlebende aus dem Einsatz im Juni barg, in das Ghetto der Altstadt verlegt. Mitte August ermordeten die Deutschen die meisten Juden auf dem Jüdischen Friedhof. Juden, die im Nachhinein in ihren Verstecken aufgegriffen wurden, hielt man für mehrere Tage ohne Nahrung und Wasser in der Großen Synagoge fest. Später erschoss man sie ebenfalls auf dem jüdischen Friedhof. Die letztbekannte Massenerschießung fand am 6. Oktober 1942 statt.

Die wenigen Juden, die vor der deutschen und örtlichen Polizei fliehen konnten, mussten den unter manchen Partisanen herrschenden Antisemitismus fürchten. Dennoch gelang es einigen jüngeren Juden, sich den sowjetischen Partisanengruppen anzuschließen.

Am 1. September 1944, zwei Monate nachdem die Rote Armee die deutschen Einheiten gen Westen getrieben hatte, lebten offiziell 22 Juden in Kovel.

Ungefähr zweihundert Juden aus Kovel überlebten womöglich den Krieg unter deutscher Besatzung. Mehrere Hundert Kovler Juden überstanden den Krieg, da sie entweder in den sowjetischen Teil Zentralasiens deportiert oder ins sowjetischen Militär eingezogen waren. Die meisten Überlebenden emigrierten später.

Ein Mann stützt sich gegen ein Denkmal, das Überlebende aus Kovel 1946 errichtetet hatten. Die Inschrift lautet:                        „Hier liegen 18 000 Opfer.“

Gedenkstätte

Im Herbst 1944 umfassten Überlebende aus Kovel die Massengräber nahe Bakhiv mit einem Holzzaun, und errichtete eine Holzstele in Erinnerung an die dort Erschossenen. Der erste Versuch, den Juden von Kovel zu gedenken, verschwand bald. Ein Wald überwuchs die Massengräber. Fünf Jahrzehnte später errichteten Überlebende und ihre Angehörigen ein Denkmal aus Stein mit einer hebräisch-sprachigen Inschrift.

Die im Sommer 2014 neu geschaffene Gedenkstätte integriert vier Massengräber. Der alte Gedenkstein und die neu errichtete Gedenktafel bilden das Zentrum der Anlage. Auf einer kleinen Anhöhe gelegen, sind sie durch Pfade mit den vier Massengräbern verbunden.

Künstliche Erhebungen unterschiedlicher Höhe bedecken die vier Grabflächen. Sie liegen 20 bis 80 Meter voneinander entfernt, und nehmen eine Gesamtfläche von mehr als 2300 Quadratmeter ein. Das An- und Absteigen dieser Hügel erzeugt die Assoziation einer Welle, die das Gelände sanft überspült.

In die Abdeckungen dieser Hügel sind Dreiecke eingearbeitet, die mit rötlichen und grauen Steinen gefüllt sind. Die Bäume, die in den Jahrzehnten dort gewachsen sind, wurden in die neu geschaffenen Flächen eingebunden.

Das Wissen über die Geschichte dieses Ortes und ihre gleichzeitige Nicht-Greifbarkeit stehen in Bezug zu einer Ungewissheit: Es ist anzunehmen, dass sich weitere Massengräber auf dem Areal außerhalb der identifizierten Flächen befinden.

Das architektonische Konzept entwickelte das Architektenpaar Dmitry Zhuikov und Arina Agieieva in Kooperation mit dem Bauingenieur Anton Oliynyk.

Anreise

Kovel liegt eine Autostunde nördlich von Luzk (Gebiet Wolhynien) und kann über die E85 bzw. die M19 erreicht werden. Die Gedenkstätte bei Bakhiv befindet sich ca. 8 km nördlich von Kovel.

Um die Gedenkstätte Bakhiv zu erreichen, durchquert man Kovel zunächst auf der E85 bzw. M19 in Richtung Brest und biegt noch im Stadtgebiet rechts auf die TO 311 in Richtung Dorotyshche bzw. Kamin-Kashyrskyi ab. Dieser Straße folgt man etwa vier Kilometer bis zum Kilometerschild Nummer 74.

Gegenüber dem Kilometerschild Nummer 74 führt ein Weg in den Wald hinein, zunächst als Fahrweg, später als Fahrspur. Nach einem Kilometer erblickt man mitten im Wald auf einer Anhöhe die Gedenkstätte Bakhiv.

Ein kleiner Parkplatz ist vorhanden. Gehbeeinträchtigten Menschen wird empfohlen, eine Begleitperson mitzubringen.

Weitere historische Informationen erhalten Sie über unseren Projektpartner:

Ukrainian Center for Holocaust Studies
8 Kutuzova Street, r. 109
Kyiv, 01011

Tel.: +38 (044) 285-90-30
E-Mail: uhcenter@holocaust.kiev.ua