Kysylyn

Die Unterschutzstellung des Massengrabs und die Errichtung der Gedenkstätte in Kysylyn begann im Sommer 2013. Die Einweihung fand im Juni 2015 statt.

Dedication in Kysylyn

Einweihung der Gedenkstätte bei Kysylyn

Geschichte der Juden in Kysylyn

Kysylyn wurde 1545 gegründet. Die erste Erwähnung von Juden geht auf das 17. Jahrhundert zurück. Bis 1795 gehörte das Dorf zu Polen und fiel mit der dritten Teilung Polens an das Russische Reich. 1921 wurde Kysylyn Teil der wiederhergestellten Polnischen Republik.

Während des Ersten Weltkriegs wurde Kysylyn schwer beschädigt. Daher belegen Quellen einen Rückgang der Bevölkerungszahlen von über 850 im Jahr 1897 auf unter 100 im Jahr 1921. Die Existenz von mindestens 61 jüdischen Familien im Jahr 1939 ist überliefert. Von daher kann von einer Einwohnerzahl von einigen Hundert Juden ausgegangen werden. Neben Juden lebten Ukrainer und Polen in dem Ort.

Die Juden Kysylyns unterhielten eine Hauptsynagoge und zwei chassidische Gebetshäuser. Die meisten arbeiteten als Einzelhändler oder Handwerker. Zur Unterstützung der wirtschaftlichen Prosperität betrieb die Gemeinde ihre eigene Genossenschaftsbank, die mit Mitteln aus dem Ausland gefördert wurde. Gleich mehrere zionistische Gruppen, die Juden auf ihre Emigration nach Palästina vorbereiteten, waren in Kysylyn aktiv. Innerhalb der zionistischen Bewegung genoss die Arbeiterbewegung den größten Zulauf, während die zionistisch-orthodoxe Mizrachi-Partei eine nur verhaltene Unterstützung erlebte.

Nach der deutsch-sowjetischen Invasion Polens im September 1939 wurde Kysylyn Teil der Sowjetunion. Die neuen Machthaber beschränkten die Religionsausübung, verboten zionistische Bewegungen und verstaatlichten Privateigentum und Unternehmen.

Der Holocaust

Die deutschen Truppen besetzten Kysylyn im Juni 1941, nur wenige Tage nach deren Einmarsch in die Sowjetunion. Wie alle Juden der deutsch-besetzten Westukraine waren auch die Kysylyner Juden von Ausgangssperren betroffen und gezwungen, ihre Wertgegenstände mitsamt ritueller Objekte auszuhändigen.

Unter der Militärverwaltung waren sie gezwungen, sich mit Armbinden zu identifizieren, wohingegen sie unter der Zivilverwaltung Flicken auf Brust und Rücken ihrer Oberbekleidung anzubringen hatten. Die Juden mussten Zwangsarbeit leisten; vornehmlich in der Land- und Forstwirtschaft wurden sie zu Anpflanzungen von Bäumen oder zum Torfstechen eingesetzt.

Mitte August 1941 wurden 48 Juden und zwei Ukrainer in der Nähe der katholischen Kirche erschossen. Als die Behörden zweieinhalb Monate später die Errichtung eines Ghettos anordneten, wurden auch die jüdischen Familien aus den benachbarten Dörfern Yukhymivka, Khorokhoryn, Tverdyni und Oziutychi in das Ghetto von Kysylyn umgesiedelt.

Die Vernichtung der jüdischen Gemeinde

Die deutsche Besatzung ordnete die Aushebung einer Grube an, die von nichtjüdischen Einheimischen auf einem freiliegenden Feld unweit des polnischen Friedhofs ausgehoben wurde. Die Juden des Ghettos wurden am 15.August 1942 mit Lastkraftwagen unter Aufsicht von deutschen und ukrainischen Polizisten an diese Grube gebracht. Sie mussten sich entkleiden und in die Grube steigen, in der sie erschossen wurden. Etwa 500 Juden wurden während dieses Einsatzes ermordet. Ungefähr 20 Juden flohen von der Erschießungsstelle, allerdings überlebte nur einer seinen Fluchtversuch.

Berichten zufolge wurde eine Gruppe von Roma (Zigeuner) wenige Tage später in der Nähe des jüdischen Massengrabs von Deutschen erschossen. Ein weiteres Massengrab von Polen, die von der Ukrainischen Aufständischen Armee getötet wurden, befindet sich nicht weit entfernt. Keines der beiden letztgenannten Massengräber wurde bislang gefunden.

Rettungsversuche

Nur selten fanden Flüchtende Schutz bei ihren nichtjüdischen Nachbarn. Meist war ihr Unterschlupf zeitlich begrenzt und dauerte bestenfalls wenige Wochen. 25 Juden aus der Gegend, darunter eine Frau aus Kysylyn, überlebten den Krieg, weil sie sich in den umliegenden Wäldern versteckten.

Das Überleben war nicht nur aufgrund der deutschen Einheiten in diesem Teil der Ukraine erschwert, sondern auch wegen antisemitischer Elemente in den verschiedenen Partisanenbewegungen.

Nur eine Handvoll Kysylyner Juden überlebte die deutsche Besatzung.

Gedenkstätte

Die Massenerschießung vom August 1942 blieb bis zu Beginn des Projekts Protecting Memory unbedacht. Über die Jahrzehnte hinweg geriet die Lage des Massengrabes in Vergessenheit, wurde die Fläche doch landwirtschaftlich genutzt. Infolgedessen verschwanden die Umrisse des Massengrabs an der Erdoberfläche.

Ein etwa einhundert Meter langer Pfad führt von einem Feldweg zu dem Gedenkort; Holzpfähle umgrenzen die Grabfläche.

Das Charakteristikum der Gedenkstätte ist eine über 400 Quadratmeter große, mit grauem Stein bedeckte Fläche, die inmitten von Wiesen und Felder liegt. Die grau bedeckte Oberfläche hebt sich von der Farbintensität der umliegenden Felder ab: blühende Wiesen im Frühling und Sommer.

An das Massengrab schließt eine Sitzgelegenheit an, die den Besucher zur Reflexion einlädt. Die Gedenkinschrift und die historischen Informationen geben dort Auskunft über das Leben und die Vernichtung der jüdischen Gemeinde von Kysylyn.

Das Architektenpaar Arina Agieieva und Dmitry Zhuikov entwickelte das Konzept dieser Gedenkstätte.

Um den Getöteten 48 Juden und zwei Ukrainern der Erschießung vom August 1941 mitten im Ort zu gedenken, wurde dort 1991 eine Gedenktafel errichtet.

Anreise

Um nach Kysylyn zu gelangen, fährt man auf der H 22 von Luzk in Richtung Volodymyr-Volinsky. Nach etwa 40 Kilometer geht an einer Bushaltestelle rechterhand ein unbefestigter Weg in Richtung Norden ab, der durch die Orte Kholopychi und Zhuravets führt. Nach etwa acht Kilometer stößt dieser lose Feldweg mitten im Wald auf einen quer verlaufenden Weg, welchem man weitere zwei Kilometer nach rechts in östlicher Richtung folgt.

Im Ortskern von Kysylyn stößt man auf die Ruine einer katholischen Kirche. Von dort geht es etwa über einen Kilometer nordwestlich in Richtung Tverdyni. Die Gedenkstätte befindet sich außerhalb der Ortschaft auf der rechten Seite.

Öffentlicher Personennahverkehr steht nicht zur Verfügung.

Weitere historische Informationen erhalten Sie über unseren Projektpartner:

Ukrainian Center for Holocaust Studies
8 Kutuzova Street, r. 109
Kyiv, 01011

Tel.: +38 (044) 285-90-30
E-Mail: uhcenter@holocaust.kiev.ua