Ostrozhets

Die Gedenkstätte liegt nahe dem Dorfrand von Ostrozhets. Sie wurde im September 2013 errichtet und im Juni 2015 eingeweiht.

Geschichte der Juden in Ostrozhets

Die Geschichte Ostrozhets führt in das Jahr 1528 zurück. Erste Verweise auf eine jüdische Gemeinde stammen aus den darauffolgenden Jahrzehnten. Bis zur endgültigen Teilung Polens im Jahr 1795 befand sich das Dorf in Polen. Es fiel an das Russische Zarenreich und wurde mit Ende des polnisch-sowjetischen Kriegs 1921 wiederum polnisch.

Nach dem polnischen Zensus von 1921 nutzten drei aneinandergrenzende Gemeinden den Namen Ostrozhets gemeinsam: ein polnischer Gutshof, ein christlich-orthodoxes Dorf und ein jüdisches Shtetl. Die jüdische Gemeinde zählte im Jahr 1921 630 Personen. 1939 zählte es vermutlich mehr als 700 Gemeindemitglieder.

Die meisten Juden arbeiteten als Geschäftsleute oder Handwerker. Etwa ein Drittel war in der Landwirtschaft tätig. Die jüdische Gemeinde verfügte über eine Hauptsynagoge und zwei chassidische Gebetshäuser. Letztere gehörten zu den chassidischen Dynastien in Olyka und in Turzysk. Auch zionistische Organisationen, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, Juden auf eine jüdische Unabhängigkeit in Palästina vorzubereiten, engagierten sich in Ostrozhets aktiv. Unter ihnen genoss die Arbeiterliste bei weitem die größte Popularität, während die Allgemeinen Zionisten nur eine geringe Unterstützung fanden.

In Folge der deutschen und sowjetischen Besatzung Polens im September 1939 wurde Ostrozhets Teil der Sowjetunion. Die neuen Machthaber schränkten die Religionsausübung ein, verboten den Zionismus und enteigneten Privatbesitzer und Unternehmer.

Der Holocaust

Mit dem Angriff auf die Sowjetunion wurde Ostrozhets im Juni 1941 von deutschen Truppen besetzt. Juden hatten daraufhin ihre Wertgegenstände abzugeben, mussten Zwangsarbeit leisten, waren Ausgangssperren unterworfen und mussten zu ihrer Identifizierung Armbinden tragen. Diese wurden später durch Stoffflicken an der Kleidung ersetzt. Vierzig Juden wurden im August 1941 erschossen.

Im April 1942 ordneten die deutschen Besatzer die Einrichtung eines Ghettos an, in das auch die verbliebenen Juden aus dem 16 km entfernt liegenden Torhovytsia umgesiedelt wurden.

Die Vernichtung der jüdischen Gemeinde

Am 9. Oktober 1942 wurden etwa 800 jüdische Männer, Frauen und Kinder erschossen. Zuvor hatten die Deutschen eine Grube neben dem jüdischen Friedhof von nicht-jüdischen Einheimischen ausheben lassen. Die Juden aus dem Ghetto wurden in Begleitung von deutschen und ukrainischen Polizisten mit Lastkraftwagen an die Grube gebracht.

Im Vorfeld der Mordaktion gelang noch vielen Juden die Flucht aus dem Ghetto, nachdem sie von der Aushebung der Grube am Rand des jüdischen Friedhofs erfahren hatten. Die meisten von ihnen wurden aufgespürt und sofort erschossen. Andere wurden zum Friedhof gebracht und dort getötet.

Rettungsversuche

Es sind nur wenige Rettungsbemühungen seitens der nicht-jüdischen Bevölkerung bekannt. Zehn Juden aus Ostrozhets konnten den Holocaust überleben, weil sie von zwei Brüdern, die den ukrainischen Baptisten angehörten, im Dorf Maly Dorostai versteckt wurden. Eine Jüdin zog ein Jahr lang durchs Land, bevor sie auf eine ukrainische Frau traf, die ihr für die verbleibende Besatzungszeit von sieben Monaten einen Unterschlupf gewährte.

Juden, die vor den Deutschen flohen, hatten sich zusätzlich vor antisemitischen Elementen in den verschiedenen Partisanenbewegungen schützen.

Es sind weniger als zwanzig Juden aus Ostrozhets bekannt, die die deutsche Besatzung überlebten.

Gedenkstätte

Nach dem Krieg erinnerte nichts in Ostrozhets an die Opfer des Holocaust. Das Terrain wurde durch eine später verlegte Straße durchbrochen, wodurch womöglich Teile von mindestens einem Grab zerstört wurden. Ein anderer Abschnitt wurde landwirtschaftlich genutzt. Der Ort der Erschießungen geriet auf diese Weise in Vergessenheit.

Im September 2013 begann die Umgestaltung der Massengrab- und Friedhofsfläche zu einer Gedenkstätte. Beschädigungen, die durch Erosion und Grabraub verursacht wurden, lassen die exakten Abgrenzungen des Massengrabs nicht mehr feststellen.

Die Gesamtfläche von 3800 Quadratmeter ist heute von einem Holzzaun eingefasst. Die Grabfläche ist mit grau-schwarzem Granitgestein bedeckt. Eine Informationsstele erinnert an das Leben und das Schicksal der jüdischen Gemeinde – und eine Sitzgelegenheit lädt zum Innehalten ein.

Die Schlichtheit der Gedenkstätte steht für das kaum nachvollziehbare Verbrechen, welches sich an diesem Ort ereignete. Verstörend ist die Straße, die durch das Gelände verlegt wurde, ebenso wie die unmittelbare Nähe der Erschießungsstätte zum Ort. Der Friedhof grenzt direkt an die letzten Häuser von Ostrozhets.

Der Hang, auf dem die Stätte liegt, stellte die Umgestaltung des Geländes vor Herausforderungen: ein unterhalb des Geländes verlaufender Weg musste von herabgerutschten Erdmassen befreit und das Absacken der Friedhofsfläche gestoppt werden.

Die Gedenkstätte Ostrozhets wurde von dem Bauingenieur Volodymyr Motyka entworfen.

Anreise

Von Luzk aus fährt man über die E85 bzw. M19 südöstlich in Richtung Mlyniv oder Dubno. Nach etwa 15 Kilometer biegt man bei Velyka Horodnytsia links nach Ostrozhets ab. Nach etwa drei Kilometer hat man den Ortskern von Ostrozhets erreicht.

Im Ortszentrum biegt man zunächst rechts und nach etwa 500 Metern erneut nach rechts in westlicher Richtung ab. Die Gedenkstätte befindet sich auf der rechten Seite.

Weitere historische Informationen erhalten Sie über den Projektpartner:

Ukrainian Center for Holocaust Studies
8 Kutuzova Street, r. 109
Kyiv, 01011

Tel.: +38 (044) 285-90-30
E-Mail: uhcenter@holocaust.kiev.ua